„Jetzt beginnt eine unheimlich interessante Zeit“
Marvin Klotzkowsky hat auf der Geschäftsstelle die Nachfolge von Daniel Grebe übernommen und wurde Anfang März auch in den Vorstand gewählt. Wir haben uns mit ihm über seinen Werdegang und seine Pläne für die zukünftige Ausrichtung des Vereins unterhalten.
Hallo Marvin, herzlich willkommen zurück beim WSV. Stell dich doch bitte mal kurz vor.
Ich bin 30 Jahre jung und war von 2017 bis 2019 schon mal als Werkstudent beim WSV. Nach meinem Studium habe ich beim FSV Zwickau in der 3. Liga den Themenbereich Marketing geleitet und später im Vertrieb und auf der Geschäftsstelle mitgearbeitet. Ich bin dann vom Sportrechtevermarkter Sportfive abgeworben worden, für den ich im Vermarktungsteam hauptsächlich für Bayer 04 Leverkusen tätig war. Ich habe in diesen anderthalb Jahren zwei Millionen Euro frisches Sponsoringgeld reingeholt und konnte mir ein großes Netzwerk im Profifußball aufbauen. Vor anderthalb Jahren bin ich zum FSV Zwickau zurückgekehrt und dort zweitjüngster Geschäftsführer im Profifußball geworden. Nach dem sportlichen Abstieg mussten wir vier Millionen Euro einsparen und haben uns wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die zukünftige Ausrichtung wieder getrennt. Danach bin ich wieder in die freie Wirtschaft gegangen. Grundsätzlich habe ich die Entwicklung des WSV und die Bemühungen bei der Sponsorensuche immer verfolgt. Ich habe öfter gedacht, dass es doch interessant und reizvoll wäre, wenn ich mich hier noch einmal einbringen könnte. Seit Dezember letzten Jahres habe ich dann beim WSV unterstützt und bin jetzt seit Anfang März Teil des Vorstands.
Die Bergische Region hat unglaublich viel Potential.
Wolltest du schon immer Experte für Marketing und Vertrieb im Fußball werden?
Eigentlich nicht. Ich habe zwar früher gerne mit Freunden auf dem Bolzplatz gekickt und bin schon immer WSV-Fan gewesen. Von Haus aus bin ich aber Tennisspieler. In meinem BWL-Studium hatte ich den Schwerpunkt Marketing und wollte eigentlich im Tennis in den Bereich Vermarktung. Aber nachdem ich 2015 mein Praxissemester beim FC St. Pauli gemacht hatte, bin ich irgendwie im Fußball gelandet.
Welches Aufgabengebiet wirst du übernehmen?
Im Vorstand ist Thomas Richter für den Bereich Sport und Dr. Leonhardt für den Bereich Finanzen zuständig. Alle anderen Themen decke ich ab: Organisation, Marketing, Vertrieb, Sponsoring, Merchandise und Ticketing. Ich bin auf der Geschäftsstelle, leite also das Tagesgeschäft und sobald Entscheidungen getroffen werden müssen, tue ich das gemeinsam mit den beiden Vorstandskollegen.
Wie ist der WSV im Bereich Sponsoring im Moment aufgestellt?
Das Sponsoringvolumen hat im Vergleich zu 2019 ordentlich zugenommen. Man muss aber ehrlicherweise gestehen, dass EMKA und dessen Partnerunternehmen einen großen Batzen ausmachen. Ansonsten ist der harte Kern geblieben, auf den wir jetzt unseren Fokus richten müssen. Viele Verträge laufen aus und müssen verlängert werden. Dabei geht es grundsätzlich nicht darum, plump mit der Preisliste um die Ecke zu kommen, sondern passgenaue und individuelle Werbe- und Vermarktungskonzepte für Unternehmen anzubieten. Wir müssen schauen, was es für Probleme gibt und wie wir helfen können. Das ist hier in den letzten Jahren nicht gemacht worden und deshalb hat sich dieser Bereich nicht so weiterentwickelt wie bei anderen Regional- oder Drittligisten. Da werden wir jetzt ansetzen.
Viele halten die Sponsorensuche hier für sehr schwierig, weil Wuppertal eher Kultur- statt Sportstadt sei und es viele Bundesligisten im Umfeld gibt. Siehst du das auch so?
Es gibt überall Rahmenbedingungen, mit denen man umgehen muss. Aber: Die Bergische Region hat unglaublich viel Potential. Es gibt generell viele Unternehmen und 80 Prozent von denen engagieren sich bisher wahrscheinlich noch gar nicht großartig im Kultur- oder Sportbereich. Hier muss es uns gelingen, ein klares Profil auf die Beine zu stellen: Wer sind wir? Wo wollen wir hin? Was können wir bieten? Wenn wir das für uns geklärt haben, können wir auf die Unternehmen zugehen und auch einfach mal bewusst sagen: „Hey, du hast vielleicht gerade ein Problem damit, Nachwuchskräfte zu finden - wir können dir helfen, wir haben eine große Nachwuchsabteilung mit vielen talentierten Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen.“ Andererseits müssen wir uns hier in der Region zum Beispiel beim Wupperputz präsentieren. Da haben wir dann auch ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Bundesligisten, die ja nicht bis zu uns nach Wuppertal kommen. Das Thema Wuppertal liegt brach und hier haben wir Heimrecht!
Es geht also mehr um Partnerschaften mit Unternehmen als um das Zeigen von deren Logos?
Das Logo zu zeigen ist auch immer sehr, sehr wichtig. Die großen Unternehmen sollen mit einem guten Gefühl ihr Logo bei uns präsentieren. Aber im Kern geht es darum, passgenau zu analysieren, wie der Partner zu unserem Verein passt. Nehmen wir mal Vorwerk als Beispiel: Vorwerk ist Hauptsponsor der Damen-Nationalmannschaft. Da steht dann vielleicht mal nicht unsere erste Mannschaft im Fokus, sondern unsere Frauenfußballmannschaft und zum Beispiel das Thema Ernährung. Mit gesunder Ernährung wirbt Vorwerk, gleichzeitig ist das aber auch für unsere Kinder und Jugendlichen ein extrem wichtiges Thema
Du hast von einem Leitbild für den Verein gesprochen. Wie könnte das aussehen und wie können sich die Fans und Mitglieder bei der Gestaltung einbringen?
Wir wollen ein Leitbild kreieren, das einen Großteil der Wuppertaler abholt und mit dem sie sich identifizieren können - ganz nach unserem Motto „Zusammen aus'm Tal“. Ich möchte den Verein grundsätzlich dahin ausrichten, dass er als familienfreundlich, loyal und sozial wahrgenommen wird. Wir werden Ende April eine Veranstaltung organisieren, bei der wir erste Ideen vorstellen und bei der sich alle einbringen können. Wir müssen uns hier als Gemeinschaft sehen, zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen. Ich weiß, dass das in den letzten Jahren gelitten hat. Wir brauchen ein aktiveres Vereinsleben und wollen die aktive Fanszene wieder richtig reaktivieren. Das ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt. Denn jetzt beginnt eine unheimlich interessante Zeit, in der viel gemeinsam gestaltet werden kann.
Friedhelm Runge hat angekündigt, seine Zuwendungen deutlich zu reduzieren. Worauf müssen sich die Fans einstellen?
Wenn es seitens EMKA zu der angekündigten Kürzung kommt, ist das natürlich drastisch. Das muss man ganz klar sagen. Dennoch müssen wir in erster Linie dankbar dafür sein, wie sehr Friedhelm Runge den Wuppertaler SV in den letzten Jahren unterstützt hat. Ebenso hat er klar kommuniziert, dass wir irgendwann eigenständig loslaufen müssen - und dieser Zeitpunkt ist nun mal jetzt gekommen. Es werden in sämtlichen Bereichen umfangreiche Einsparungen erzielt werden müssen. Ich habe davor aber keinen Bammel und denke, dass Gaetano Manno auch mit einem kleineren Etat eine schlagkräftige Mannschaft, die attraktiven Fußball spielt, auf die Beine stellen kann. Wir haben einen klasse Trainer und eine junge, hungrige, offensiv spielende Mannschaft passt auch in das Leitbild eines modernen WSV. Ich bin kein Freund von Schwarzmalerei - Unterhaching ist auch mit einem Etat von 1,5 Millionen Euro aufgestiegen. Man kann auch mit einem niedrigen Etat das Größtmögliche schaffen. Dieses Glück muss man sich aber erarbeiten und dafür muss sich einfach jeder hier auf der Geschäftsstelle und im Gesamtverein den Allerwertesten aufreißen. Wir gehen die Dinge realistisch an und die Fans können sich darauf freuen, dass wir den Verein ab Sommer schon spürbar anders positionieren werden.
Wir haben zwei Insolvenzen hinter uns. Kann es passieren, dass der Verein jetzt wieder Schulden macht, um die fehlenden Mittel von Herrn Runge zu kompensieren?
Nein, es ist nicht so, dass es hier lichterloh brennt, wenn Herr Runge jetzt weniger Gelder zur Verfügung stellt. Es wird nur das Geld ausgegeben werden, das vorhanden ist. Wir werden im Vorstand darauf achten, denn ich weiß, wie sehr einem das ansonsten auf die Füße fallen kann. Wir werden sorgfältig und vernünftig planen. Eventuell müssen wir dann auch mal bewusst sagen, dass es für den Moment reicht, im oberen Mittelfeld mitzuspielen und wir eine Mannschaft aufbauen, die vielleicht im zweiten oder dritten Jahr weiter oben angreifen kann. Die 3. Liga ist für alle Wuppertaler ein tolles Ziel, aber ich weiß auch, was es heißt, dort mit dem niedrigsten Etat der Liga auskommen zu müssen. Wir müssen jetzt erst mal unsere Hausaufgaben machen und ein gesundes wirtschaftliches Fundament, bestehend aus einem bunten Blumenstrauß an Sponsoren, schaffen. Wenn wir das schaffen, kann der Verein irgendwann vielleicht auch wieder aus eigener Kraft konkrete Pläne für den Aufstieg schmieden.
Wird der Verein in Zukunft wieder transparenter werden?
Ja, definitiv. Ich weiß, wie wichtig Transparenz ist. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich sehr transparent, loyal und bodenständig bin. Ich rede sehr viel, bin ein großer Kommunikator und beziehe die Leute mit ein. Das habe ich immer so gehandhabt und das wird auch hier so bleiben. Wir haben auf dem Fanabend den Anfang gemacht und werden das so fortführen. In Zukunft könnte ich mir vorstellen, dass wir zu bestimmten Themen einladen und mal gesondert über die Finanzen, das Sportliche oder über Marketing sprechen.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei deiner Arbeit, Marvin!